Sonntag, 27. April 2014
Samstag, 19. April 2014
Überschaubar
Wenn euch jemand fragen würde, welche Dinge für euch unabdinglich sind, was würdet ihr antworten? Der ipod?
Das Notebook? Die Anzahl anderer Blogs, die ich lese, ist relativ hoch (im Gegenzug liest niemand
diesen hier). Und gelegentlich erstaunen und erschüttern mich die
Wertprioritäten. Bei einigen (wir sprechen hier von schönen, smarten, modernen Menschen) scheint der Existenzsinn darin zu bestehen, möglichst viel "Zeug", ungeachtet der
Ausprägung anzuhäufen. Egal ob Schuhe, Taschen, Kosmetik, Pflegemittel:
überall nur Haul-Berichte, Vorstellungen von neuen Kollektionen und
Neu-Erworbenem. Sind es also diese Dinge sind, die uns
definieren? Mir fällt es schwer das zu glauben. Fakt ist dennoch: an dieser Idee "notwendiger" Dinge hängen billiardenschwere Industrien.
Würde euch von heute auf morgen aller
weltlichen Besitzer entrissen, wie wären eure Empfindungen? Für einige würde sicher eine
Welt zusammenbrechen. Andere würden ein Gefühl der Befreiung erfahren. Im wahrsten Sinne des Wortes: eine
Entlastung. Hinfort mit all den beschwerenden Dingen, die einen an
Orte, Verträge und Menschen ketten. Alles was statisch macht, bremst.
Letzten Herbst habe ich meinen Rucksack gepackt
und mich auf den Weg gemacht einen Freund im schwedichen Abisko zu
besuchen. Abisko liegt 130km von Kiruna im Norden von Lappland. Direkt hin wäre
zu einfach gewesen. Also ein one-way
Ticket nach Koppenhagen und von dort aus improvisieren. Koppenhagen ist ätzend. Bereits am Flughafen Menschen mit 88 und White Pride Tattoos am Hals. Nichts wie weg hier. Koppenhagen, Stockholm, Abisko, per Anhalter und per Zug, hat perfekt
funktioniert. Bereits in diesen ersten Tagen deutet sich an, was mir später immer
bewusster wird: Mir fehlt nichts! ALLES funktioniert bestens. Viel
besser als ich es hätte planen können. In Abisko beginnt der
Kungsleden (der König aller Pfade). Kaum eine bessere Gelegenheit diese traumhafte Szenerie zu
erfahren. Zelt und Schlafsack ins Backpack gestopft. 600km durch die
Berge nach Nikkaluokta und zurück. Je weniger ich dabei habe, je
weniger Dinge klar und vorgegeben sind und je größer der Abstand
zur Zivilisation wird, desto wundervoller werden die Empfindungen. Kein Strom, kein Empfang. Es ist ein tolles
Gefühl zu wissen, dass man nicht mit Hilfe rechnen muss, sollte etwas
passieren. In den Bergen treffe ich Sean, der gerne die Umgebung der Lofoten zum surfen nutzt. Die 400km dorthin scheinen machbar. Eine güstige Gelegenheit sie sich anzusehen. Edding raus, Karton Beschriften, Warten.
Mit Klaas Jan er Anhalter von Abisko nach Narvik. Klaas Jan ist Vater zweier Töchter, von Kopf bis Fuß tättowierter Niederländer und trotz Scheidung immernoch sehr verliebt in seine Ex-Frau. Sie bewohnen in getrennten Trakten eine umgebaute Milchfabrik und sehen sich kaum, vermissen sich aber sehr. Tättowierungen würde er seinen beiden Töchtern verbieten. Er hat veganen Käse und Fincrisp in seinem kleinen Kühlschrank. Wir reden über Gott und die Welt und singen Queen Songs.
In Narvik lässt er mich an einer Shell-Tankstelle raus. Von dort per Anhalter auf die Lofoten. Hände und Lachen sind ausreichende Kommunikationsmittel. Ein reizender älterer Herr erzählt mir dort, dass die Strecke entlang der Fjorde über unglaubliche Brücken führt und Atlantic-Road heißt. Mit Oddbjörn Bredesen per Anhalter also von den Lofoten nach Bodo. Er wünscht sich eine Karte von unterwegs für seine Söhne. Eine Waffel später winken wir uns zum Abschied.
Von Bodo per Anhalter (diesmal auf einem Schiff) drei Tage lang nach Trondheim. Alle Kabinen sind ausgebucht und der Kasinoboden fühlt sich hart und heimisch an. Aom weckt mich mit einer Thai Massage. In ihrem Blick ist Mitleid für meinen Rücken und Sonne aus Asien. Ihr Mann ist Norweger, Lehrer im Ruhestand und wohlhabend. Sie liebt ihn trotz Altersunterschied, will aber ihr eigenes Geld verdienen. Die wohltuende Kunst ihrer Hände hat sich in ihrem 300-Seelen Heimatdort schnell herumgesprochen, so dass sie stets beschäftigt ist. Von Trondheim geht es per Anhalter nach Oslo.
Ich bin nur halbherzige Begleitung und vergesse zu sprechen. Wir halten in Flughafennähe. Das letzte Stück in die Innenstadt fahre ich per Zug. Tage gefüllt von Herzlichkeit, Aufrichtigkeit ,guten Geschichten und menschlicher Wärme. Zwei Punkmädchen geben mir den Türcode für das Blitz. Mit Rahul skate ich nachts an Second-Hand-Shops vorbei und spiele in Pubs scrabble. George wohnt neben uns und findet Morgenkaffe auf dem Bordstein genau so herzwärmend wie wir.
Was könnte ich vermissen? Trotz freundlicher Gastgeber reichen zehn Tagen in Oslo. Ich habe nun grobe Orientierung in der Stadt und Vertrauen in die Menschheit. Also auf nach Island.
Drei Wochen dort reichen um die Insel zu umrunden. Ein zweites Zuhause gefunden, Katzengeburtstag mit Habba-Grace gefeiert, Vigdis Grace High Five gegeben. Ich habe wertvolle Dinge erlebt und buche drei Tage vor meiner letzten Uni-Prüfung einen Flug nach Düsseldorf. Am Flughafen treffe ich Martin, der am Vorabend betrunken mit deiner Zigarette sein Hotelzimmer angezündet hat und eigentlich Konzertveranstalter ist. Die Brandwunden und Verbände passen gut zu seinem Slime T-Shirt. Er bietet mir im Flugzeug sein Käsebrötchen an. Auf dem Flug denke ich an Ben aus Neuseeland. Ben kam gerade aus Südamerika, um sich auf Island ein Kontrastprogramm zu gönnen. Er reiste (schon den 13.en Monat...) mit einem Rucksack der Größe, den jeder Student hier täglich mit zur Uni nimmt. Auf die Frage hin, wie er mit so wenigen Dingen auskommt, erwidert Ben, er sei mit einem großen Backpack aus Neuseeland aufgebrochen. In den letzten Monaten entdeckte er, je weniger er bei sich hatte, desto freier und unbesorgter war er. Im Laufe der Zeit reduzierte er sich auf das Wesentlichste indem er unterwegs absichtlichlich Dinge liegen lies.
Das Betreten der eigenen Wohnung nach längeren Reisen ist erschüttern. Die Sinnlosigkeit der dort angehäuften Sachen erzeugt fast Ekel. Während sich manche schnell aklimatisieren, befällt mich Panik. Alles, das bremst und bindet, muss schleunigst weg. Freunde schütteln stets ungläubig den Kopf, wie man Comic XY oder Platte XY einfach abgeben kann. Doch niemand vermisst etwas. Erleichterung.
Mit Klaas Jan er Anhalter von Abisko nach Narvik. Klaas Jan ist Vater zweier Töchter, von Kopf bis Fuß tättowierter Niederländer und trotz Scheidung immernoch sehr verliebt in seine Ex-Frau. Sie bewohnen in getrennten Trakten eine umgebaute Milchfabrik und sehen sich kaum, vermissen sich aber sehr. Tättowierungen würde er seinen beiden Töchtern verbieten. Er hat veganen Käse und Fincrisp in seinem kleinen Kühlschrank. Wir reden über Gott und die Welt und singen Queen Songs.
In Narvik lässt er mich an einer Shell-Tankstelle raus. Von dort per Anhalter auf die Lofoten. Hände und Lachen sind ausreichende Kommunikationsmittel. Ein reizender älterer Herr erzählt mir dort, dass die Strecke entlang der Fjorde über unglaubliche Brücken führt und Atlantic-Road heißt. Mit Oddbjörn Bredesen per Anhalter also von den Lofoten nach Bodo. Er wünscht sich eine Karte von unterwegs für seine Söhne. Eine Waffel später winken wir uns zum Abschied.
Von Bodo per Anhalter (diesmal auf einem Schiff) drei Tage lang nach Trondheim. Alle Kabinen sind ausgebucht und der Kasinoboden fühlt sich hart und heimisch an. Aom weckt mich mit einer Thai Massage. In ihrem Blick ist Mitleid für meinen Rücken und Sonne aus Asien. Ihr Mann ist Norweger, Lehrer im Ruhestand und wohlhabend. Sie liebt ihn trotz Altersunterschied, will aber ihr eigenes Geld verdienen. Die wohltuende Kunst ihrer Hände hat sich in ihrem 300-Seelen Heimatdort schnell herumgesprochen, so dass sie stets beschäftigt ist. Von Trondheim geht es per Anhalter nach Oslo.
Ich bin nur halbherzige Begleitung und vergesse zu sprechen. Wir halten in Flughafennähe. Das letzte Stück in die Innenstadt fahre ich per Zug. Tage gefüllt von Herzlichkeit, Aufrichtigkeit ,guten Geschichten und menschlicher Wärme. Zwei Punkmädchen geben mir den Türcode für das Blitz. Mit Rahul skate ich nachts an Second-Hand-Shops vorbei und spiele in Pubs scrabble. George wohnt neben uns und findet Morgenkaffe auf dem Bordstein genau so herzwärmend wie wir.
Was könnte ich vermissen? Trotz freundlicher Gastgeber reichen zehn Tagen in Oslo. Ich habe nun grobe Orientierung in der Stadt und Vertrauen in die Menschheit. Also auf nach Island.
Drei Wochen dort reichen um die Insel zu umrunden. Ein zweites Zuhause gefunden, Katzengeburtstag mit Habba-Grace gefeiert, Vigdis Grace High Five gegeben. Ich habe wertvolle Dinge erlebt und buche drei Tage vor meiner letzten Uni-Prüfung einen Flug nach Düsseldorf. Am Flughafen treffe ich Martin, der am Vorabend betrunken mit deiner Zigarette sein Hotelzimmer angezündet hat und eigentlich Konzertveranstalter ist. Die Brandwunden und Verbände passen gut zu seinem Slime T-Shirt. Er bietet mir im Flugzeug sein Käsebrötchen an. Auf dem Flug denke ich an Ben aus Neuseeland. Ben kam gerade aus Südamerika, um sich auf Island ein Kontrastprogramm zu gönnen. Er reiste (schon den 13.en Monat...) mit einem Rucksack der Größe, den jeder Student hier täglich mit zur Uni nimmt. Auf die Frage hin, wie er mit so wenigen Dingen auskommt, erwidert Ben, er sei mit einem großen Backpack aus Neuseeland aufgebrochen. In den letzten Monaten entdeckte er, je weniger er bei sich hatte, desto freier und unbesorgter war er. Im Laufe der Zeit reduzierte er sich auf das Wesentlichste indem er unterwegs absichtlichlich Dinge liegen lies.
Das Betreten der eigenen Wohnung nach längeren Reisen ist erschüttern. Die Sinnlosigkeit der dort angehäuften Sachen erzeugt fast Ekel. Während sich manche schnell aklimatisieren, befällt mich Panik. Alles, das bremst und bindet, muss schleunigst weg. Freunde schütteln stets ungläubig den Kopf, wie man Comic XY oder Platte XY einfach abgeben kann. Doch niemand vermisst etwas. Erleichterung.
Nächsten Monat geht es für mich wieder los. Die Richtung ist noch unklar. Natürlich
one-way, denn alles was perfekt ist, kann man nicht planen. Dinge wieder einfach passieren lassen. Ich weiß jetzt, alles was
ich zum Leben brauche, passt in mein Herz, meinen Kopf und meinen
Rucksack. Und das ist eine Last, die ich nur allzu gerne trage.
Gefühle, Erinnerungen, Eindrücke, Neugier und Tatendrang. Notwendiges ist doch überschaubar.
Samstag, 29. März 2014
Siamese Part 2: Schulterpolster als politisches Statement. Grace Jones / Klaus Nomi
Die zuletzt gehörte Platte auf
dem Plattenteller ist eine schöne
Momentaufnahme. Ein vertontes Polaroid. Beim Schuhzubinden kitzelt sie im
Nacken. Zu ihrem Rhythmus stolperst du die Treppenstufen hinunter, während du
das Haus verlässt. Ihr Tempo bestimmt dein Wippen an der U-Bahnhaltestelle. Klaus Nomi und ich hatten vor einigen Wochen
so ein musikalisches Tête á tête. Ähnlich guten Freunden, deren
Liebe so gewiss ist, dass regelmäßiges Melden überflüssig wird. Die sich in Ruhe
lassen, wenn es kriselt und sich beim nächsten Treffen trotzdem herzlich
warm umarmen als wäre nichts gewesen. Eine Weile waren wir beide ziemlich
beschäftig und haben uns aus den Augen verloren. Begeistert und vertraut haben wir uns
wieder gefunden.
Das selbstbetitelte Werk vom
Klaus Nomi fordert deine volle Aufmerksamkeit. Multitasking macht man besser zu Katy
Perry. Was hier kredenzt wird, ist ein schief geratenes Petit Four. Heulende
Synthesizer und ein menschliches Theremin. Die Dinge sind aus der Form geraten,
verzerrt, schräg, verwischt. Eine seltsame Athmosphäre. Alles schwarz, weiß, grau
und trotzdem ziemlich bunt. Der Klang ist eigen, sperrig und lebendig.
Nomi, ein ausgebildeter Kontertenor, mischt hier schwarzen Gesang mit dem, was spätere Generationen
Wave nennen werden. Die Stücke sind halb geborgt, halb DIY. Chubby Checker´s „The Twist“
bekommt hier einen siamesischen Zwilling. Nomi´s Musik ist stark durch
das Umfeld des Dada geprägt und reibt sich an bestehenden Strukturen und Konventioen. So stammen zwei der zehn Stücke aus der Feder von
Kristian Hoffman. Unter ihnen Nomi´s bekannteste Auskopplung „Total Eclipse“. Die
Themen sind altbekannt: Liebe, Zweifel, Kritik, Wut und vor allem Lust. „When I see lips bagging to be kissed, I can´t
stop, I can´t stop myself!”. Hier geht es aufrichtig zu. Überstilisierte
Musik droht häufig in Pathos abzugleiten. Volle Kontrolle zu jedem
Zeitpunkt ermöglicht es Nomi dem vorzubeugen. Er ist Subjekt und Objekt des
eigenen Schaffens. Charakter, Körper und Inszenierung werden gleicher Maßen zum
Malgrund. Die Musik scheint fast Beiprodukt des Gesamtkonzeptes. Schminke
im Stilmix aus traditionellen Kabukimasken und Cabaret, kombiniert mit
proportionsanormalen Kostümen, mit schmalen Taillen und gigantischen Schultern, unterstreichen diese Klangwelt und erinnern an Metropolis. 1981 erschienen,
mit deutlichen Einflüssen von David Bowie und neuen elektronischen
Möglichkeiten, hinterlässt Klaus Nomi hier ein beindruckendes Pop-Noir-Manifest.
Eine Collage seiner Einflüsse aus Oper, Film, Theater und Kunst und nicht
zuletzt eine gelungene Inszenierung seiner selbst. Audio-Auto-Biographie klingt phonetisch fürchterlich, trifft den Sachverhalt jedoch gut.
Szenenwechsel. Sonne scheint über
der Rheinaue. Der Tag wird für ein Wiedersehen mit Maks genutzt. Mit KS, mit x kann ja schließlich jeder. Das ist kein Zufall, das ist ein Lebensgefühl. Rasch
hochgestolpert ins Derendorfer Eigenheim, fällt der Blick neugierig auf den
Plattenspieler. Ein wahnsinns Schallplattencover lehnt im Hintergrund. Was eine Anmut, was für ein Arsch: die heilige
Grace Jones. Maks hört jedoch die Nightclubbing LP. Mehr brauch ich nicht um den mopsigen Mann zu mögen.
„Nightclubbing“, ebenfalls
1981 erschienen, zeigt Parallelen zur Arbeitsweise Nomi´s. Coverstücke
sind auch bei Grace keine Seltenheit. So stammt der Titeltrack des Album´s, „Nightclubbing“, aus der Feder von Iggy Pop und David Bowie. „Walking in the rain“ borgt sie sich
von Flash and the Pan. Die Interpretationen sind so eigen, dass das
Original komplett darin verwässert. Die Basis aus Pop- und Clubmusik schmückt
sie dabei immer wieder durch Reggae, Dub sowie Afro- und Latinbeatelemente. Selbst
ein verschrobener Tango findet sich in „I´ve seen that face before“. Der Gesang
bleibt, von der Klangkulisse unbeeindruckt, pur und unbemüht oder verlangsamt sich zum sinnlichen Sprechen. Während Nomi
überzeichnet und stilisiert, punktet Grace Jones Stimme mit Klarheit und
Statement. Vornehme Zurückhaltung. Sie ist außerirdisch und weiß Stärken und Charme gezielt
einzusetzen. Kunstwerk und Künstlerin fallen bei dieser Frau auf unerreichte
Weise zusammen (top 4 der besten Menschen der Welt). Jean Paul Goude hat sie zur Muse und zum Kunstwerk gleicher Maßen erkoren. Cover, Bühnenshow, Kostüme, Musik verbinden sich zu einem performativen Kunstwerk. Ob als Gorilla oder Menschenufo. Das ist Artpop erster Stunde. Jones erschafft ein Meta-Wesen, nicht Mann nicht Frau, Mensch durch
und durch und doch fast Übermensch, mit harten Gesichtszügen und perfekt gesetzter
Mimik. Jede Bewegung, jeder Blick ist hier Stellungnahme und Botschaft. Systemkritik,
demonstriert am eigenen Körper. Losgelöst von gesellschaftlichen Konventionen, ein Kind des eigenen Universums. Liebe und Inspiration aus vielen Welten, die Symbiose aus Goude und Jones. Was hippiesk klingt, ist Zeugnis eines starken
Bewusstseins. Die Modernität dieser Platte baut auf jahrtausendalten Rhythmen und
Weisheit. Auch 30 Jahre nach Erscheinen verblüffen hier Stimmigkeit, subtiler
Witz und Verständnis musikalischer Komplexität.
Während auf meinem Plattenspieler
Klaus Nomi auf den Rotationsbefehl wartet,
verschnauft bei Maks die fantastische Grace Jones. Die Ähnlichkeit der Covergestaltung verblüfft. Die Bilder zeigen beide in identischer Pose.
Überdimensionale Schultern, den Körper zum V verformt. Die Blicke unnahbar und
stark. Und während wir über Parallelen und Unterschiede debattieren, will ich
insgeheim wissen ob die in NY mal zusammen einen drauf gemacht haben. Bedeutet die Beteiligung von Bowie in
beiden Fällen etwas? Es gibt doch keine Zufälle...."Meine Eltern haben das bei ihrem ersten Date gehört." Noch ein Zug von der süßen Zigarette und wir schweben beide durch 1981.
Dienstag, 25. März 2014
Normal halt
Die Gedankengänge meines Hirns sind
sehr simpel. So verleitet der Anblick interessanter Menschen
mich stets zu der Überlegung, wie die wohl ohne ihren Schutzpanzer aus Frisur
und Kleidung aussehen. Wirkt ihre Körperhaltung dann verzweifelt? Haben sie
Achselhaare oder peinliche Tätowierungen, Narben an den Knien, Hornhaut an den
Ellbogen? Leberflecken und Muttermale auf Brust und Armen? Wahrscheinlich will
ich wissen wieviel Substanz sie selbst sind und wieviel Konstrukt und Maskerade. Substanzlosigkeit ist eine moderne Krankheit. Entsprechend
viele Menschen lösen sich unter der Dusche in Luft auf. Ungeschminkt und nackt müsste
man sie beim Auflösen beobachten können.
Seltsam gestaltet sich der
umgekehrte Sachverhalt. Sehe ich Menschen nackt und schutzlos, stellt sich die Frage nach Kostümierung selten. Saunatage sind eine vorzügliche Gelegenheit
für solche Mensch-Beobachtungen. Saunaanstalten scheinen Orte, die aus der Zeit
gefallen sind. Hitze, Stille und ungeschriebene Regeln sorgen für ein
Aktionstempo, das sich von der Außenumgebung deutlich unterscheidet. Alles ist Slomo. Ähnlich einer Marina Abramovic Performance ist die
Hauptübung das Stillhalten. Aushalten. Atmen. Wer ist schon gut darin nichts zu
tun? Genügend Zeit für Beobachtung. Und während alle schwitzen, kann ich gar
nicht anders als mich unter die Gürtellinie zu begeben.
Schamhaare sind ein
Mysterium. Der Theorie nach gibt es sie als nostalgischen Wink vergangener Tage. Laut
digitaler Medienwelt sind sie seit den späten 80er Jahren ausgestorben und in
der freien Wildbahn nicht mehr anzutreffen. Der Schwitzkasten zeichnet ein
anderes Bild. Nahezu überall wuchert es. Zwischen straffen, jungen
und zwischen alten, braun-gefleckten Schenkeln. Die unterschiedlichsten
Ausprägungen von Männern und Frauen geben ihnen eine Chance. Ich fühle mich
belogen und bin verunsichert. Gehört das so? Was soll das da und vor allem: wozu
dient es? Die Struktur dieser Haare ist besonders und eigen. Kraus und
gebrochen schrauben sie sich in einander. Drahtig und widerspenstig wirken die.
Das kann sich nicht gut anfühlen. Intensität und Ausmaß mancher dieser „Büsche“
sind unglaublich. Würde ich alle meine interne Energie und Konzentration
ausschließlich auf das Ziel richten das Wachstum meiner Schambehaarung zu
fördern, wäre so ein Resultat dennoch unmöglich. Warum tragen diese Menschen das? Sind die
zu faul es wegzurasieren, zu selbstbewusst für den angeblichen Mainstream oder zu respektvoll Mutter Natur gegenüber? Im meinem Kopfkino verschwinden
darin Gesichter und Köpfe. Finger mit viel zu kurzen Fingernägeln friemeln
einzelne Haare von speichelfeuchten Zungen. Eine gruselige Vorstellung. Ich mag
das nicht. Der Verdacht beschleicht mich, dass ich diesen
Intimfrisuren mehr Zeiz schenke als ihre Besitzer. Was sie über diese aussagen, würde
ich dennoch gerne wissen. Ich könnte fragen. Mach ich aber nicht...
Ein neuer Anlauf. Wie fügen sich diese Haare in das
Gesamtbild? Und auch hier ist die Realität grotesk. Menschliche Puzzleteile,
falsch zusammengesteckt. Perfekt geformte, straffe Brüste flirten mit mir. Halb
gefüllte Hautsäcke winken mir zu. Geschmückt von winzigen, rosigen Brustwarzen
oder großen braunen Orden. Gebaut sind diese zarten Gerüste mal auf einem
soliden Fleischfundament aus Bein, mal auf storchigen Stelzen. Aufgebolzt auf stämmigen breiten
Oberschenkeln, die ramponiert von Dellen und Striemen, ziemlich abgekämpft
aussehen. Verlorene Kriege gegen Eiscreme und Butterkekse oder Zeugnis eiserner Disziplin und gesunden Yuppitums. Die Kleidergröße des Fundaments übertrumpft die des
Oberkörpers oft um zwei Einheiten oder unterbietet sie um eine. Hier stimmt
etwas nicht. Wer hat die ungleichen Paare zusammengefügt? Ein faltiges Ledergesicht
krönt einen diesen Steckkörper. Geschätzte 65 Jahre Weisheit, Erfahrung und
Schrecken blitzen daraus hervor. In anderen leuchten spitzbübisches Blau und
Grün. Zeitlos. Und doch verblüfft die beruhigende Selbstverständlichkeit der idealfernen
Gesamtbilder. Eine versöhnliche Harmonie ungleicher Teile entsteht. Diese Körper flüstern
Vergebung. Schon ok. Und die gilt ebenso für die Schamhaardelikte. Okaye Menschen also. Auch eine Erkenntnis
nackter Mittwochabende…..
Mittwoch, 19. Februar 2014
Siamese Part 1: Fun-Fact, Die Nerven haben mehr Spaß haben als Jawbreaker
Fun gegen Unfun. Wer da wohl mehr Spaß an der Sache hat. So klar ist das Ergebnis nicht.
Noch ganz schön grün hinter der Ohren ist die neue Platte der Stuttgarter Band Die Nerven. Fun heißt sie. Spaß ist trotzdem anders. Grinseln sollen andere. Hier kratzt und holpert es. Überall Stacheln und Gespenser. Fieses braut sich zusammen. Wer sich hier angesichts der Stimmung gruselt, den nehmen die Nerven trotzdem liebevoll an die Hand. Schatten verwandeln sich in strubbelige Schwaben-Jungs. Zuversichtliche Planlosigkeit empfängt den Hörer. Ungehobelter, wüster Sound, treibender Bass, repetitiver Groove, ein wütendes und dennoch dezentes Schlagzeug, während der Gesang mal taumelt mal um sich schlägt. Während die einen nicht kapieren, haben die hier schon verstanden. "Das ist immernoch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest. Hörst du mir zu?" Entschiedene Sätze. Die wollen reden, aber ohne Zeigefinger. Diskurs ist mehr als Kritik und Platz für diesen ist hier reichlich. Dinge werden beim Namen genannt und bleiben dennoch unklar. "Und ja, es geht mir besser als ich ausseh. Und nein, ich hab hier nichts verloren." Ängste vor Begebenheiten, Ängste vor Situationen. Wenn die damit leben können, kann ich das auch. Unzulänglichkeiten sind ok. Der Sound ist perfekt, meschlich, pur. Hier haben drei keine Scheu sich mit ihrem So-Sein abzufinden und wollen kein Mitleid. Tendenz: angepisst. Wütend klingt Fun daher auf weiten Strecken und ziemlich ungehobelt. Das ist schlau, denn solange nicht alles in Ordnung, bleibt keine Zeit für Liebeslieder. Die Nerven wollen unter die Haut, tief ins Gewebe, nicht nur streifen. Keins der Stücke lässt Intensität vermissen. Denen glaub ich alles. Von denen will ich Staubsauger kaufen. Also gehen wir ein Stück zusammen, oder auch zehn. Eh wir gemeinsam stolpern. Von wegen "Nie wieder Scheitern". Fun hilft dir sicher nicht auf, aber aufgeschürfte Knie tun so weniger weh. Ungewollt perfekt. Und die sind noch so jung! Meine Lieblingsplatte 2014.
Noch ganz schön grün hinter der Ohren ist die neue Platte der Stuttgarter Band Die Nerven. Fun heißt sie. Spaß ist trotzdem anders. Grinseln sollen andere. Hier kratzt und holpert es. Überall Stacheln und Gespenser. Fieses braut sich zusammen. Wer sich hier angesichts der Stimmung gruselt, den nehmen die Nerven trotzdem liebevoll an die Hand. Schatten verwandeln sich in strubbelige Schwaben-Jungs. Zuversichtliche Planlosigkeit empfängt den Hörer. Ungehobelter, wüster Sound, treibender Bass, repetitiver Groove, ein wütendes und dennoch dezentes Schlagzeug, während der Gesang mal taumelt mal um sich schlägt. Während die einen nicht kapieren, haben die hier schon verstanden. "Das ist immernoch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest. Hörst du mir zu?" Entschiedene Sätze. Die wollen reden, aber ohne Zeigefinger. Diskurs ist mehr als Kritik und Platz für diesen ist hier reichlich. Dinge werden beim Namen genannt und bleiben dennoch unklar. "Und ja, es geht mir besser als ich ausseh. Und nein, ich hab hier nichts verloren." Ängste vor Begebenheiten, Ängste vor Situationen. Wenn die damit leben können, kann ich das auch. Unzulänglichkeiten sind ok. Der Sound ist perfekt, meschlich, pur. Hier haben drei keine Scheu sich mit ihrem So-Sein abzufinden und wollen kein Mitleid. Tendenz: angepisst. Wütend klingt Fun daher auf weiten Strecken und ziemlich ungehobelt. Das ist schlau, denn solange nicht alles in Ordnung, bleibt keine Zeit für Liebeslieder. Die Nerven wollen unter die Haut, tief ins Gewebe, nicht nur streifen. Keins der Stücke lässt Intensität vermissen. Denen glaub ich alles. Von denen will ich Staubsauger kaufen. Also gehen wir ein Stück zusammen, oder auch zehn. Eh wir gemeinsam stolpern. Von wegen "Nie wieder Scheitern". Fun hilft dir sicher nicht auf, aber aufgeschürfte Knie tun so weniger weh. Ungewollt perfekt. Und die sind noch so jung! Meine Lieblingsplatte 2014.
"Unfun" hat im Vergleich dazu schon 24 Jahre auf dem Buckel. Jawbreaker haben hier gekocht. Entsprechend herrscht Küchenchaos. Herzbrocken auf dem Kachelboden, Melancholie und jede Menge ungewaschenes Geschirr. Die traurigen Post-It´s der ehemals Liebsten kleben am Kühlschrank. Irgendwo tropft Selbstmitleid. Niemand will das aufräumen, aber einer muss. Also die gelben Gummihandschuhe angezogen. Herr Schwarzenbach greift selbst zum Wischmopp. Sanierungsarbeiten am Ego, bis alles blitzt. Das braucht seine Zeit und die nimmt sich Unfun. Ungezwungen. Die singen vom Wollen und Nicht-Können, von Unmut und vom Unfertig-Sein. Mal energischer, mal seicht, doch stets ehrlich. "Emo" nennt man das nicht umsonst. Schlaue Ratschäge hört man hier nicht. Alles zu seiner Zeit. Bier auf, Chaos betrachten, durchatmen...sich sammeln. Man arbeitet sich durch Herzschmerz und Unsicherheit zum Kern der Sache vor. Und so langsam wirds wieder. Versöhnlich, vielleicht sogar zuversichtlich. Weil über die Boxen "Fun" läuft und irgendwie am Ende ja doch alles wieder gut wird.
Freitag, 14. Februar 2014
Rückfall ins Menschliche
Den Raum zwischen zwei Orten füllt eine gewisse Magie. Er ist weder das eine noch ist er das andere und was er genau ist, lässt sich so leicht gar nicht sagen. Seine Kraft speist sich aus der Bewegung, aus dem Weg, aus dem Nicht-Verweilen. Was aber passiert, wenn man nun in dem einen oder auch dem anderen ankommt? Wenn der Mensch mit den Orten konfrontiert wird? Eine dumpfe Stille, die nach mehrwöchigem Reisen im Kopf hallt sobald die Bewegung stoppt. Fürchterlich leise. Befremdlich. Kalt und durchaus unbequem. Gemütlich ist das nicht.
Wohl daher vermeidet die Generation, der ich zugehöre, ein Innehalten. Hetzen von einem Städtetrip zum nächsten. Von der Party zum Auslandssemester, vom Praktikum zum Erlebnisurlaub. Immer schneller, fast einem Wettbewerb gleich. Wem gelingt es wohl mehr Abenteuer in eine Zeitspanne zu pressen? Aber bestimmte Lebensphasen fordern nun einmal Bekenntnisse, oder so meint man zumindest. Auf einen Job festlegen: ok. Auf eine Stadt festlegen: o.k. Auf einen Menschen festlegen: Arrgghhhhh! Darüber reden wir später nochmal. Einfach dem Impuls folgen. Bedenkenlos habe ich meine sieben oder fünfzehn Sachen gepackt und den vermeintlichen Traumjob angenommen. Frei von Vorurteilen der Stadt oder Menschen gegenüber. Neue Menschen lernt man ja überall kennen. Kein Kunststück. Das sollte auch hier nicht schwer fallen. Inne halten. Dort sein. Stehen. Zumindest kurz.
Doch alles ist anders, der Plan ein Fehlkonstrukt, statisch der Realität nicht gewachsen. Dabei gab es doch gar keine Erwartungshaltung …
Und alles ist leise. Der Job nicht meins, die Stadt immer noch fremd, die Menschen nett aber noch nicht vertraut. Kein guter Start. Uns verbinden keine zehn Jahre, keine betrunkenen Morgen, keine überflüssigen Tränen und keine peinlichen Aussetzer. Deine Freunde warten in sechs Stunden Fahrtdistanz. Ich fühle mich fremd und falsch. Das ist nicht unbedingt die Antwort, die Menschen bei einer Befindensfrage hören wollen. Doch das ändert nichts am Zustand. Ich spüre Verunsicherung und Angst. In jeder Faser. An der Stadt liegt es nicht. Dieser Schleier des Misstrauens lässt das schöne Bild nur nicht ganz zu mir durch. Meine Gedanken und Bewegungen sind irgendwie gelähmt. So kann man nicht tanzen. Nicht im Raum, nicht am Ufer entlang und schon gar nicht durchs Leben. Und obwohl mir bewusst ist, dass ich diesen Zustand nur selbst ändern kann, fühl ich mich machtlos. Auch das passiert. Stolpern ist Menschensache, macht menschlich. Repräsentativ ist es nicht. Alle streben nach Mühelosigkeit, nach Leichtigkeit, einer geraden Linie. Damit kann ich gerade nicht dienen. Und weil dem so ist, umarme ich den Umstand so wie er ist. Ich lasse mich fallen in mein Mensch Sein. Ins Menschliche. Mein Rückfall. Und auch das ist ok. Vielleicht muss ich einfach nur eine Weile die Füße still halten.
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