Die Gedankengänge meines Hirns sind
sehr simpel. So verleitet der Anblick interessanter Menschen
mich stets zu der Überlegung, wie die wohl ohne ihren Schutzpanzer aus Frisur
und Kleidung aussehen. Wirkt ihre Körperhaltung dann verzweifelt? Haben sie
Achselhaare oder peinliche Tätowierungen, Narben an den Knien, Hornhaut an den
Ellbogen? Leberflecken und Muttermale auf Brust und Armen? Wahrscheinlich will
ich wissen wieviel Substanz sie selbst sind und wieviel Konstrukt und Maskerade. Substanzlosigkeit ist eine moderne Krankheit. Entsprechend
viele Menschen lösen sich unter der Dusche in Luft auf. Ungeschminkt und nackt müsste
man sie beim Auflösen beobachten können.
Seltsam gestaltet sich der
umgekehrte Sachverhalt. Sehe ich Menschen nackt und schutzlos, stellt sich die Frage nach Kostümierung selten. Saunatage sind eine vorzügliche Gelegenheit
für solche Mensch-Beobachtungen. Saunaanstalten scheinen Orte, die aus der Zeit
gefallen sind. Hitze, Stille und ungeschriebene Regeln sorgen für ein
Aktionstempo, das sich von der Außenumgebung deutlich unterscheidet. Alles ist Slomo. Ähnlich einer Marina Abramovic Performance ist die
Hauptübung das Stillhalten. Aushalten. Atmen. Wer ist schon gut darin nichts zu
tun? Genügend Zeit für Beobachtung. Und während alle schwitzen, kann ich gar
nicht anders als mich unter die Gürtellinie zu begeben.
Schamhaare sind ein
Mysterium. Der Theorie nach gibt es sie als nostalgischen Wink vergangener Tage. Laut
digitaler Medienwelt sind sie seit den späten 80er Jahren ausgestorben und in
der freien Wildbahn nicht mehr anzutreffen. Der Schwitzkasten zeichnet ein
anderes Bild. Nahezu überall wuchert es. Zwischen straffen, jungen
und zwischen alten, braun-gefleckten Schenkeln. Die unterschiedlichsten
Ausprägungen von Männern und Frauen geben ihnen eine Chance. Ich fühle mich
belogen und bin verunsichert. Gehört das so? Was soll das da und vor allem: wozu
dient es? Die Struktur dieser Haare ist besonders und eigen. Kraus und
gebrochen schrauben sie sich in einander. Drahtig und widerspenstig wirken die.
Das kann sich nicht gut anfühlen. Intensität und Ausmaß mancher dieser „Büsche“
sind unglaublich. Würde ich alle meine interne Energie und Konzentration
ausschließlich auf das Ziel richten das Wachstum meiner Schambehaarung zu
fördern, wäre so ein Resultat dennoch unmöglich. Warum tragen diese Menschen das? Sind die
zu faul es wegzurasieren, zu selbstbewusst für den angeblichen Mainstream oder zu respektvoll Mutter Natur gegenüber? Im meinem Kopfkino verschwinden
darin Gesichter und Köpfe. Finger mit viel zu kurzen Fingernägeln friemeln
einzelne Haare von speichelfeuchten Zungen. Eine gruselige Vorstellung. Ich mag
das nicht. Der Verdacht beschleicht mich, dass ich diesen
Intimfrisuren mehr Zeiz schenke als ihre Besitzer. Was sie über diese aussagen, würde
ich dennoch gerne wissen. Ich könnte fragen. Mach ich aber nicht...
Ein neuer Anlauf. Wie fügen sich diese Haare in das
Gesamtbild? Und auch hier ist die Realität grotesk. Menschliche Puzzleteile,
falsch zusammengesteckt. Perfekt geformte, straffe Brüste flirten mit mir. Halb
gefüllte Hautsäcke winken mir zu. Geschmückt von winzigen, rosigen Brustwarzen
oder großen braunen Orden. Gebaut sind diese zarten Gerüste mal auf einem
soliden Fleischfundament aus Bein, mal auf storchigen Stelzen. Aufgebolzt auf stämmigen breiten
Oberschenkeln, die ramponiert von Dellen und Striemen, ziemlich abgekämpft
aussehen. Verlorene Kriege gegen Eiscreme und Butterkekse oder Zeugnis eiserner Disziplin und gesunden Yuppitums. Die Kleidergröße des Fundaments übertrumpft die des
Oberkörpers oft um zwei Einheiten oder unterbietet sie um eine. Hier stimmt
etwas nicht. Wer hat die ungleichen Paare zusammengefügt? Ein faltiges Ledergesicht
krönt einen diesen Steckkörper. Geschätzte 65 Jahre Weisheit, Erfahrung und
Schrecken blitzen daraus hervor. In anderen leuchten spitzbübisches Blau und
Grün. Zeitlos. Und doch verblüfft die beruhigende Selbstverständlichkeit der idealfernen
Gesamtbilder. Eine versöhnliche Harmonie ungleicher Teile entsteht. Diese Körper flüstern
Vergebung. Schon ok. Und die gilt ebenso für die Schamhaardelikte. Okaye Menschen also. Auch eine Erkenntnis
nackter Mittwochabende…..
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