„Wenn Sie eins wählen könnten,
welches würden Sie nehmen, junge Frau?“ Fast prallt die Brille des kleinen
Mannes vor meine Nase, während sein schütteres Haar vor meinen Pupillen
schwebt. „Aber nur eines!“ Sein Aufzug
aus olivgrüner Cordhose, weißem Hemd und braunen groben Schuhen wirkt etwas
antiquiert, mit den brauen Hosenträgern jedoch durchaus charmant. Trotz seiner
geschätzten 80 Jahre finde ich ihn süß. „Den Ringelnatz aus dem Erdgeschoss.
Den Dachgarten der Irrsinnigen würde ich nehmen. Da brauch ich gar nicht zu
überlegen.“ Als erstes Bild begrüßt es den Besucher in der Ausstellung. Es
könnte auch von einem Grundschüler gefertigt sein, wären die Motive nicht so
absurd. Erbrechende Alkoholiker an einer Tafel, Seiltänzerinnen mit blanken Po,
Monster und Stelzenläufer, Menschen beim Sex, Menschen bei der Masturbation, ein
Akkordeonspieler und der gesichtslose schwarze Mann. Die Runde ist illuster und
wir sind eingeladen.
„Sie mögen wohl die Sonntagsmaler.“
Das trifft es nicht ganz. Nicht die Sonntagsmaler mag ich, sondern die inneren
Dämonen und den Mut sie trotz mangelnden Handwerkes mit anderen zu teilen. Gerade
in einer Zeit, in der jeder viel zu bemüht eine digitale Idealversion seines
Lebens bastelt, erscheint Ringelnatz Ehrlichkeit außerordentlich. Zu zeigen,
was einen bewegt und antreibt, egal wie grotesk, erscheint mir mutig. Nicht,
dass Ringelnatz nicht malen könnte. Kaum ein anderer schöpft die Instrumente
von Farbe und Raum so ergreifend aus. Er entführt uns über die neblige See und
in düsteres Dschungelgestrüpp und teilt seine Seeabenteuer in vortrefflichem
Handwerk. Hier erlaubt sich sein Kind-Sein. Er schert sich nicht um Proportion
und Mittel, nicht um Perspektive oder Sinn. Er ist all das und daran ist alles
richtig. Er ist der stuhlwerfende Irre auf der Cabaretbühne. Er ist der einsame
Seemann am steinigen Ufer. Er ist aber auch der ausgestoßene Missverstandene,
der Trinker, der Einsame.
„Ja malen können die, diese
Kunststudenten. Das Handwerk an Kunsthochschulen für teuer Geld erschlichen.
Das täuscht über den Geist hinweg.“ Er scheint mich zu verstehen und nickt.
„Dämonen...... ja ja Dämonen. Den
Dachgarten also. Sollten Sie einen Komplizen brauchen, ich stehe Ihnen zur
Seite. Auf drei rennen wir.“ Eine versöhnliche Begegnung. Ich bin mir sicher wir
sehen uns wieder.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen